Tag 6-10: Schlüsselerlebnisse

Die Tage 6-10 unserer Sommerfahrt waren wahrscheinlich der Kern der Sache: Unwetter, ein Abschied, "Die Morgenlandfahrt", Bastgalf auf Abwegen und die Fahrt nach Süden. Seid gespannt!


Tag 6: Kurz aber heftig

Der Tag begann damit, dass wir feststellten, das besagtes Bahnhäuschen etwa 10 Meter von uns entfernt lag. Ja, auf der anderen Seite der Gleise ging tatsächlich der Wanderweg weiter, und wir hätten uns die gesamte zweite Episode gespart. Eine kleine Lok fuhr vorbei (montenegrinischer ICE), und drei Mitarbeiter vom Nationalpark trimmten den Rasen. Immerhin hatten wir es ohne Nationalparkgebühren in den Nationalpark geschafft (was wir allerdings erst später feststellten). 

Erster Beschluss des Tages: bevor wir frühstücken wandern wir eben noch kurz rauf zum See. Es dauerte nicht die vollen 300 Höhenmeter, 4km und zahlreiche Serpentinen, die wir zum See zurücklegen mussten, bis wir darauf kamen, dass das vielleicht nicht unsere beste Idee gewesen war. Schön war: es roch unterwegs überall nach Bärlauch. 

Joe ging es leider nicht so gut. Ich hielt ein Auto mit Berliner Kennzeichen an, um zu fragen wie oft sich uns der quälende Anblick einer ansteigenden Straße nach einer Serpentinenkurve noch bieten würde. „Ihr habts gleich geschafft, höchstens noch 500 Meter.“ Das war das was ich hören wollte! Wir kraxelten die letzten 500m den Berg rauf und erreichten den See, samt angeschlossenem Campingplatz. Leider war der See komplett touristisch erschlossen. Ein Reisebus spuckte gerade eine Menge Tagesgäste aus. Wir wuschen uns am Geschirrwaschplatz, da dieser luxuriöser war als die Toiletten (Löcher im Boden). Ich erstand eine Wanderkarte. Endlich, eine Wanderkarte! Mit echten Wanderwegen, Schutzhütten eingezeichnet, Höhenlinien. Ein Traum.

Wir machten ein Feuer und Kaffee. An einer langen Tafel wurde ein zünftiges Frühstück aufgetischt und einige Liedchen gesungen („Die Lappen hoch“), bevor wir uns nach der Tortur (Frühsport ist wirklich ein verharmlosendes Wort für das was wir da hingelegt hatten) die Mägen vollschlugen.

Tageskarte Angeln 20€ (vom Steg sah man Bachforellen[trotzdem: "Wer kann das bezahlen, wer hat soviel Geld?"]), ein Mann fütterte Herbert von einem Boot aus.

Beim Waschen sprach mich eine junge Belgierin aus „Namen“, im französischen Teil von Belgien gelegen, an. Sie war sehr nett und interessiert, und als ich mich gerade abgetrocknet hatte lud sie mich auf eine heiße Dusche in ihren Bungalow ein. Zu spät!

Da wir kein Brot mehr hatten (man erinnere sich an die Brotzeit am Vorabend) kamen Armin und ich auf die Idee herumzulaufen und Campingplatzgäste zu fragen, ob wir ihnen Brot abkaufen könnten. Wir fanden ein paar polnische Freunde aus Warschau, und mit seinen fundierten polnisch Kenntnissen schuf Armin eine derart vertraute Stimmung, dass sie uns zwar kein Brot, dafür aber Wurst und Fisch schenkten. Sehr nette Menschen!

Wir trafen ein weiteres Mädel aus Belgien, und stellten fest, dass sie zu dritt zusammengehörten. Sie fragte mich, ob ich meine Leute am Vorabend noch gefunden hätte. Ich brauchte eine Sekunde um zu schalten, dass es die drei Damen aus dem Auto waren, das ich am Tag zuvor angehalten hatte, um nach Carsten, Dresen und Crissy zu fragen. Wir bekamen Cracker, und einen Apfel, sowie ein sehr nettes Gespräch mit den Dreien. Irgendwie waren wir darauf gepolt zu sagen, dass wir aus Köln kommen. Dabei liegt Aachen ja eigentlich deutlich näher. 

Doch wir waren ja nicht zum Plaudern da: die Wanderkarte wurde auf dem Tisch ausgebreitet und wir schauten uns mit fachmännischem Blick den Weg zum Crna Glava an, den Anni von den Roten Corsaren uns wärmstens empfohlen hatte. 600 Höhenmeter und ca. 10 km. Zur Erinnerung: wir waren am Morgen ca. 300 Höhenmeter und ca. 5 km gelaufen. Doch da entdeckte Joe einen weiteren Pfad, direkt an einem Bachlauf entlang. Auf Nachfragen wurde er der „Ecological Path“ genannt und mit „da liegen ein, zwei umgestürzte Bäume“ beschrieben. Wir hatten uns schnell auf diesen Pfad geeinigt, zumal dort bloß 300 Höhenmeter zurückzulegen waren.

Rucksäcke auf, alles flüx eingepackt und den halben Weg rund um den See. Auf der anderen Seeseite waren Stege gebaut, weil es da feuchter und sumpfiger wurde. Alles erinnerte an einen Dschungel in Südamerika.


Wir fanden den Wanderweg leider nicht. Durch einen genaueren Blick auf die Karte bemerkten wir allerdings, dass der Weg sich direkt an einem Bachlauf hält. Wir sprangen also einfach den Steg herunter und folgten dem Bach.

Es war ein Dschungel. Von einem Weg war weit und breit keine Spur zu erkennen. Wir kämpften uns durch das Dickicht, bekamen nasse Füße vom Sumpf oder einem der vielen Bachzuläufe, kletterten über umgestürzte Bäume. Nicht nur einmal verfing sich meine Gitarrentasche, die ich an den Rucksack gebunden hatte, in Baumästen. 

Wir kämpften uns durch. Es gab einen dünnen Streifen halbwegs ebenen Waldboden direkt neben dem Bach, links und rechts dann aber wieder Steinwände und schroffe Felshänge. Ich wanderte vor Armin und Hicham und hörte plötzlich einen Tumult hinter mir: Hicham wurde von einer Biene gestochen und rannte wild los. Armin fragte: „Du wurdest von einer Biene gestochen?“ In dem Moment wurde er auch gestochen. Wir rannten vielleicht etwas zu panisch davon. Dabei zerrte ich mir was, als ich einen Stein hochklettern wollte. Diese lustige Geschichte behielt ich erst mal für mich.

Wir rasteten und aßen Kekse. Crissy, die als Vegetarierin zwar auch Kekse isst, entschied sich dafür in alter Gollum-Manier eine Tomate zu verputzen. Sie aß sich satt an ihrem Fleisch. 

Danach sammelten wir Bärlauch und irgendeine besondere Kleesorte, die zu Fisch besonders gut schmecken soll. Bei Detailfragen kann man sich gerne an Armin wenden.

Wir mussten an einigen Stellen den Bach überqueren. Herbert war dabei natürlich nicht sonderlich hilfreich und musste immer unter höchstem Körpereinsatz rübergegeben werden. Der Bach war vielleicht nicht sehr tief, dafür hatte er eine enorm starke Strömung. Es war schwierig die Füße trocken zu halten. 

Ohne den Weg gefunden zu haben kämpften wir uns ca. 4 Stunden lang den Bachlauf aufwärts, als wir mal wieder den Bach überqueren mussten. Hier schien es etwas einfacher, da der Bach geteilt war und es in der Mitte eine üppige Insel gab. Wir schafften es allesamt mit großen Schritten über die paar herausragenden Steine im Bachlauf und machten uns gerade an die Überquerung des zweiten Teils des Baches, als wir plötzlich von oben ein donnern hörten, das direkt über uns grollte. Hicham sagte später einmal „Ich dachte die sprengen da den halben Berg weg.“. Eine gefühlte Sekunde später standen wir mitten in einem Hagelschauer.

Wir kramten die Ponchos so schnell es ging hervor und hockten uns darunter. Der Hagel war von starkem Regen begleitet. Die Hagelkörner waren Haselnuss groß und zwiebelten ziemlich, wenn man diese abbekam. Wir schrieen, dass jeder die Hände über den Kopf nehmen sollte. Herbert hatte ich mit meiner Isomatte abgedeckt.

Joe, der bereits auf einem Felsen im Bachlauf hockte, hatte es besonders schwer. Er hatte keinen Poncho zur Verfügung und schirmte sich so gut es ging ab. Irgendwann schrie er: „Das Wasser steigt!“. Auf allen vieren kroch er durch den Bach und versteckte sich unter einem umgestürzten Baum.

(auf dem Foto erkennt man Joe im Hintergrund, der noch seinen Rucksack auf hat und auf einem Stein im Flusslauf hockt)

Mittlerweile war alles nass: wir bis auf die Unterhosen, unsere Rucksäcke komplett durchweicht. Der Hagelschauer wurde kurzzeitig weniger, bis er mal wieder richtig losging. Als die nächste Hagelpause kam nutzten wir diese, um alle Leute und Rucksäcke ans andere Bachufer zu bringen. Es war Schwerstarbeit, weil die Rucksäcke mit Wasser vollgesogen waren und dementsprechend auch deutlich mehr wogen. Wir schafften es hinüber, und legten Crissy, Yannick und Finn zu Joe unter den Baum. Mit Ponchos wurde ein behelfsmäßiger Unterschlupf angefertigt. Sie wärmten sich und sangen Lieder.

Überhaupt, von der vorherigen Luftfeuchtigkeit und den tropischen Temperaturen war keine Spur mehr übrig, vielmehr war es richtig abgekühlt und nass wie wir waren wurde es noch kälter.

Mit einer Kohtenplane und etwas Tampen standen wir im Regen, nun halbwegs von Bäumen geschützt und bauten einen Unterstand. Ich kniete mich in den Schlamm und probierte mit dem nassen Holz ein Feuer anzukriegen. Zu unserem Glück gelang es.

Wer sich noch bewegen konnte fing einfach an zu funktionieren: es wurde Holz geholt, wir erweiterten unseren Kohtenplanenunterstand und holten die frierenden aus ihrem Provisorium ans Feuer. Bald hörten die Zähne auf zu klappern. Wir schauten uns das Ausmaß der Zerstörung an: die Blätter aller Pflanzen in unserer Umgebung waren komplett durchlöchert worden.

Ich traute mich fast nicht einen Blick in den Rucksack zu riskieren, doch wir stellten alle der Reihe nach fest, dass wirklich alles, inklusive Schlafsack, nass war. Wir spannten Wäscheleinen und beschlossen hier zu lagern. 

Irgendwann entdeckten wir Schilder, und fanden endlich besagten weg. In 600m sollte irgendetwas sein. Doch trotz zweimaligem Kundschaften fanden wir nichts, was sich in unserer Nähe befand. Es war in der Tat eine grüne Hölle. Hicham verewigte unsere beiden Stämme auf dem Schild. Vielleicht findet irgendwann jemand die Zeichen und deutet sie als Warnung!

Während wir unsere Klamotten trockneten probierte ich einen Fisch an den Haken zu bekommen. Dafür suchte ich mit Finn nach Insektenlarven in morschen Baumrinden. Wir brauchten eine gehörige Portion Geduld, doch fanden immerhin ein paar Raupen. Leider ging nichts an die Leine.

Wir hatten mittlerweile den Unterstand zu einer Schlafmöglichkeit für 9 Personen + Herbert ausgebaut und Hicham hatte einen vorzüglichen Nudeleintopf gekocht. Etwas Warmes im Magen war jetzt genau das richtige. Die Stimmung war super, wir hatten dem Unwetter getrotzt und das Beste daraus gemacht. 


Es ging früh ins Bett, wir waren alle vom anstrengenden Weg und dem folgenden Unwetter sehr erschöpft. Die meisten hatten mittlerweile trockene Schlafsäcke. Da meiner nass war freute ich mich die Feuerwache von 1-4h übernehmen zu dürfen. Diese verbrachte ich mit Carsten, größtenteils schweigend, was sehr schön war. Man konnte den Himmel nicht sehen, weil die Bäume hier so dermaßen hoch waren. Wir lauschten den Geräuschen des Waldes und dem kontinuierlichen Rauschen des Baches. Das Feuer brannte hoch, uns war kalt und die Schlafsäcke sollten trocknen.

Einmal mussten wir dann aber doch noch Lachen, und zwar als ich vom Stein, auf dem ich saß rutschte, mich mit dem Arm in Hichams Klappstuhl verfing und da auch noch drauf fiel. Tat zwar weh, war aber verdammt lustig.


Tag 7: Mückenmutterschiff

Wir standen früh auf, waren allerdings sehr müde. Unser Provisorium hatte gehalten. Es gab Kaffee, und später, aus Brotmangel, Suppe mit Eierstücken. Die Suppe war halb eklig, gab aber Kraft und füllte die benötigten Reserven wieder auf.

Wir überprüften auf der durchweichten Karte, wie weit wir es wohl geschafft hatten. 2km höchstens. Es waren fast 10km zum Crna Glava. Joe konnte sich kaum bewegen, wir überlegten was zu tun war. Es fiel uns nicht leicht diese Entscheidung zu treffen, doch es blieb uns nichts anderes übrig, als die Besteigung des Berges abzubrechen. Wir verteilten Joes Gepäck auf die anderen Rucksäcke. Darunter litten vor allem Carstens und mein Gleichgewichtssinn. 

Wir beschlossen auf dieser Flussseite zu bleiben und einfach zurück zum See zu wandern. Genug Wasser und nasse Sachen für die nächsten Tage! Der Nachteil dieser Seite war, dass der „Weg“, den wir ja quasi gefunden hatten, immer wieder steile Ausflüge den Berg hoch machte und direkt wieder herunter. Da es so viel geregnet hatte war es sehr matschig und glitschig. Nicht gerade ideal, um noch mehr Gepäck zu tragen.

Armin preschte in alter „Bear Grillz“ Manier voraus und fand immer wieder den Weg. Dieses Mal werden Carsten und ich von wilden Bienen (oder Wespen, keine Ahnung!) verfolgt und gestochen. Wir sind etwas zu abgestumpft von der Anstrengung, um uns wirklich lange mit dem Schmerz zu beschäftigen.

Herbert rennt mit Armin voraus und zeigt uns immer wieder den Weg. Irgendwann hören wir ein lautes Jaulen/Quiecken von ihm. Wir sind voller Sorge und rufen ihn. Was war passiert? Er taucht nicht wieder auf. Hat er ein wildes Tier aufgeschreckt? Wir werfen die Rucksäcke achtlos auf den Boden und suchen ihn. Oder ist er in eine Hasen- oder gar Bärenfalle gelaufen? Plötzlich taucht er einfach wieder auf, als wäre nie was gewesen. Unversehrt. Gott sei Dank!

In einem Bruchteil der Zeit vom Vortag schaffen wir es zurück bis an die Stege. Wir setzen uns erst mal darauf und verschnaufen. Dann klettern wir hoch. Joe ist komplett zerstört, Hicham, Carsten, Crissy und ich gehen auf dem Zahnfleisch. Besonders nervig war es übrigens den Müllbeutel zu tragen, der mindestens 3kg gewogen haben muss.


Herberts erste Reaktion auf dem Steg: er sieht irgendwelche wildfremden Leute und läuft mit denen weg. Was für ein undankbarer kleiner Verräter!

Immerhin haben wir geplant ihn entwurmen und impfen zu lassen. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit ihn mit einer Hilfsorganisation nach Deutschland zu bringen? Oder vielleicht lässt sich ja auch mit vollkorn, der die Busan- und abreise organisiert hatte, reden? Den Entschluss ihn mitzunehmen hatten wir ja bereits in der Taraschlucht gefasst. Cool wäre auch ein Adoptionsaufruf über die Bundeshomepage. Im Kopf feile ich bereits an dem Text.

Zurück am Campingplatz machen wir Mittag und planen für die Nacht zu bleiben. Juhu! Das bedeutet wenn wir jetzt alles schnell geregelt bekommen können wir am See noch ein paar Bachforellen verhaften. Eine Sippe von den Wildkatzen ist auch vor Ort, unsere Freunde aus Belgien leider nicht mehr.

Joe und Dresen trampen mit Leuten nach Kolasin um einzukaufen. Die Leute haben scheinbar am Vortag bereits eine Sippe von den Sperbern mitgenommen. Ob sie auch in die Taraschlucht gewandert sind, wie wir ihnen am Supermarkt beim Mittagessen geraten hatten?

Joe und Dresen haben eine Liste dabei. Neben „Mittagessen für 3 Tage“ steht da auch noch drauf: „3 große Kartoffeln pro Person, also 27 Stk.“, damit wir eine ordentliche Beilage für die Forellen haben. In der Kartoffeldiskussion waren wir, weil wir uns über die Menge in kg gestritten hatten („3kg waren beim letzten Mal viel zu wenig, lieber 6kg!“), auf die besagte Anzahl umgestiegen.

Jetzt aber Beeilung: Hicham und ich tragen einen Monsterberg Feuerholz zusammen, gemeinsam suchen wir Kohtenstangen und Kohtenkreuz und ziehen die beiden Kohten direkt neben einem kleinen Tümpel (einmal im Jahr fliegt jede Mücke der Welt dort hin, um abzulaichen) hoch. 


Die Angel wird klar gemacht, wir laufen den Berg runter zu den Park „Rangern“. „Fishing just between 9am and 17pm.“ Mein Gott, was für willkürliche Zahlen. Dazu leider mit einer beispiellosen Unfreundlichkeit präsentiert, die in meine persönliche Bewertung des Campingplatzes mit einfloss. Ich fragte noch, ob ich schon mal die Zeltplatzgebühren bezahlen soll, scheinbar hatte besagter „Ranger“ aber noch keine Lust und ging etwas entmutigt zurück zu den Kohten.

Herbert sorgt mal wieder für Trubel und schließt sich der Gruppe Wildkatzen an. Für eine halbe Stunde ist er verschwunden, als er plötzlich wieder bei uns eintrifft. Er wird absolut zu recht ausgebuht!


Joe und Dresen kommen vom Einkaufen wieder. Wer sich eben noch gefragt hatte, warum ich das mit den Kartoffel so genau erzähle: sie bringen insgesamt 7 (!) Kartoffeln mit. Davon eine in Portionsgröße, zu der Joe auch gleich feststellt „Aber die große ist für mich reserviert.“.

Als wir 5 Minuten später in Badehosen vom Steg springen ist wieder alles in Ordnung. Die Füße berühren den laubbedeckten Grund des Bergsees, von den Bachforellen ist zum Glück keine Spur mehr. Carsten legt einen ordentlichen Rückenplatscher hin. Das Wasser ist warm, aber manchmal mit eiskalten Strömungen. Als es plötzlich wieder anfängt zu donnern, nehmen wir unsere Füße in die Hand und rennen zu den zum trocknen aufgehangenen Sachen.

Wir schaffen es die Sachen vor dem Regen in die Kohten zu kriegen, bis wir feststellen, dass es wohl doch nicht regnen wird. Mein Rückflugticket ist am Tag zuvor nass geworden, mein Notfallhandy ebenfalls.

Da es langsam dunkel wird machen wir uns auf zum Kochen. Es gibt Nudeln mit richtig guter Soße, und danach die paar Bratkartöffelchen mit Zaziki (danke an unsere polnischen Freunde für die Gurken). Die Bratkartoffeln sind bisher ein absolutes Highlight der Fahrt. Sie sind wirklich köstlich. Beim Topf ausschlecken verbrenn ich mir die Pfoten.

Alle hängen in den Seilen. Um uns herum springen Suppenteller-große Kröten. Der Campingplatz ist hell beleuchtet. Das schöne Licht taucht die Bäume in ein angenehmes blau. Ein besonderer Moment.

Die Wildkatzen raten uns davon ab den Crna Glava zu besteigen. Es sei deutlich zu steil! Leider haben wir es bisher nicht geschafft uns mit unserem Fahrtenbuch, der „Morgenlandfahrt“ zu beschäftigen.


Beim Spülen umhüllt uns dann die Dunkelheit komplett. Da unsere Kohten mitten im Wald stehen und man die Hand vor Augen nicht sehen kann, folgen wir der kleinen Flamme, die Hicham mit einem Feuerzeug macht. Plötzlich ein Rascheln irgendwo rechts von mir. Die vorher ausgegebenen Informationen über Schlangen tragen nicht wirklich dazu bei, dass ich mich besonnen und ruhig verhalte. Doch wir kommen sicher am Lagerplatz an.

Trotz Autan verwandeln die Mücken uns und besonders unsere Beine in Streuselkuchen. Die Stimmung ist gut. Herbert darf bei uns in der Kohte schlafen.


Tag 8: Abschied

Die Campingplatz „Ranger“ wecken uns erbost. Wir sollen endlich bezahlen. Es ist der gleiche, der am Vortag keine Lust hatte, dass ich ihm mein Geld gebe. Er hat noch eine übelgelaunte, schreihalsige Kollegin mitgebracht, die auch wirklich den letzten Funken Hoffnung auf weiteren Schlaf zertritt, wie ein Elefant ein Gänseblümchen.


Finn erzählt, dass er am Morgen mal Austreten war, und dabei jemanden gesehen hat, der unser Camp durchsucht hat. Na und? Soll er unsere nassen Unterhosen doch mitnehmen, viel Spaß damit!

Wir stehen auf. Packen und zur Feuerstelle. Kaffee kochen, waschen, Frühstück. Wir brauchen morgens immer viel zu lange. Joe kann sich nicht bewegen. Hicham bringt ihm was zu Essen. Am Campingplatz kommen immer mehr Touristen an. Wir schmieden den Plan heute an der Tara entlang nach Kolasin zu wandern. Es sollen etwa 25km sein.


„Wenn der Berg euch in die Knie zwingt, wagt ihr dann einen noch gefährlicheren Weg?“

Joe schafft es, mit der Hilfe von Hicham, sich irgendwie an den Tisch zu schleppen. Er ist kaum in der Lage zu gehen. Wir überlegen Hin-und Her. Sein Vorschlag ist es mit dem Taxi voraus zu fahren und 2 Tage in einem Hostel zu verbringen. Mit mehr Händen und Füßen als englisch „reden“ wir mit einem Taxifahrer. Armin telefoniert dann mit der Zentrale, die wirklich kein Wort verstehen(da muss man dabei gewesen sein, äußerst amüsant). Wir klären ab, dass das Taxi Joe bis vors Hostel fährt, und seinen Rucksack hinein trägt.

Wir spielen „Nehmt Abschied Brüder“. Es ist ein sehr emotionaler Moment. Joe wird ins Taxi gesetzt und weggebracht. Es nieselt leicht, und plötzlich wieder Donner. Wir retten uns unter das löchrige Dach des Frühstückstisches und entgehen dem folgenden Wolkenbruch mit einem blauen Auge. Uns doch egal! Die Gitarren sind sowieso noch ausgepackt. Wir lachen dem Sturm ins Gesicht und haben unsere erste richtig fette Singerunde der Sommerfahrt („Sonnenschein und wilde Feste“). Hicham macht nebenan ein Feuer und dort singen wir weiter („Nordwärts Nordwärts wolln wir wieder“).

Bei leckerem, warmem Tee lernen wir einen netten polnischen Rucksacktourist kennen und haben  endlich die Gelegenheit über die „Morgenlandfahrt“ zu sprechen. Der Zauber erfasst mich und einige andere auch.

„Unser Morgenland war ja nicht nur ein Land und etwas geographisches, sondern es war die Heimat der Seele, es war das Überall und Nirgends, war das Eins werden aller Zeiten. Doch wurde mir dies nur je und je für einen Augenblick bewusst, und darin eben bestand das größte Glück, das ich jemals genoß.“ Hermann Hesse


Für mich das Zitat der Fahrt.

Yannick kocht Nudeln. Beim Einkaufen vom Vortag wurde eine Nudelsoße mit der Geschmacksrichtung „neutral“ gekauft. Diese schmeckt auch tatsächlich nach nichts, also neutral und soll als Basis für richtige Soßen dienen. Yannick kriegt es trotzdem hin daraus ein prima schmeckendes Essen zu zaubern.

Als der Regen aufhörte war es bereits später Nachmittag. Wir begannen den Abstieg vom Campingplatz, runter zur Tara, wo uns unser Privatbus vor 3 Tagen raus gelassen hatte. Es wurde mit jeder Minute dunkler. Ich lies mich etwas zurückfallen, um ein paar Fotos zu machen und etwas nachzudenken. Mittlerweile funktionierten wir immer besser als Team: wir griffen ineinander wie Zahnräder, oder zwei Chirurgen, die sich gegenseitig operieren. Herbert fiept und kam etwas weiter oben aus dem Wald gerannt. Der Mond ging auf und erleuchtete hell die Nacht. Wie durch einen schwarz-weiß-Filter war jegliche Farbe aus der Welt gewichen. Etwas Nebel kroch den Berg gegenüber hinab. Ich komme wieder am verlassenen Haus vorbei und bilde mir erneut eine Bewegung hinter den tot dreinblickenden Scheiben ein. Unheimlich.

Am Fuß des Berges, an der Gabelung zwischen Straße und Wanderweg treffen wir die Wuppis, unsere Freunde vom Stamm „Graf Luckner“ aus Wuppertal. Wir tauschen Erfahrungen und Geschichten aus (und kriegen Klopapier geschenkt), und sind uns einig, dass Montenegriner einem immer unterschiedliche Entfernungen und Preise nennen. Ein Taxi steht ca. 20m von uns entfernt. Die Wuppis erzählen, dass der Fahrer sie zuvor fast über den Haufen gefahren hätte. 

Wir legen uns unter einen alten Baum. Die Tara fließt, man sieht eine hohe Eisenbahnbrücke, die in einem Tunnel mündet. Von den Bergen, die links und rechts von uns liegen kriecht Nebel herab. Zwischen den Bergen steht der Mond. Wir machen ein paar Witze über Joe´s Einkauf-Künste (die Kartoffelgeschichte): „Joe Budget“ (von Dresen), „Nudeln mit Joese“ (von Carsten), „Joeguhrt mit der Ecke“ (von Finn). Schade, dass er heute nicht zuhören kann. Hoffentlich geht es ihm besser.


Unser Schlafplatz ist 500m entfernt von der geteerten Straße. Als bereits die meisten Schlafen, und Hicham und ich Nachtwache haben, fährt auf einmal ganz langsam das Taxi an uns vorbei, um ein Stück weiter zu wenden und wieder zurückzufahren. Warum wendet der hier? An der Straße gab es genug Wendemöglichkeiten. Wir sind froh, dass wir jede Nacht Nachtwachen eingeteilt haben.

Mitternacht ist bereits vorbei. Plötzlich kommt eine Person um die Ecke. Ich erkenne im Mondlicht bloß, dass er eine Uniform trägt und einen Schlagstock am Gürtel trägt. Auf meine Zurufe reagiert er nicht, sondern kommt schnurstracks auf uns zu. Als Herbert anschlägt zuckt er kurz zusammen, trotzdem geht er weiter, bis er auf meiner Isomatte steht und leuchtet mir mit seiner Mag Lite Taschenlampe voll ins Gesicht. „Deutschland?“. „Yes“. In einem Gespräch mit Händen und Füßen, bei dem er eine schlafende Geste, und das typische Fingerreiben für Geld macht, erklärt er uns, dass er für das Schlafen unter diesem Baum gerne 10€ hätte. Ich wollte mich grade aufregen, als Armin meint „Geht auf mich“, ihm 10€ in die Hand drückt und einfach weiterschläft. Der Nationalparkwächter machte sich danach wieder vom Acker. 

Ganz schön viel passiert für eine Nachtwache. Hicham und ich sind froh, dass es nur noch 10 Minuten sind. Plötzlich springt mich etwas an. Also von der Seite, volle Kanne gegen meinen Schlafsack. Ich springe auf. „Da ist irgendwas!“ „Licht, macht Licht!“ „Dresen, wach auf.“ Als wir endlich ein wenig Licht gemacht haben erkennen wir das Ungeheuer, das es mit uns allen aufnehmen wollte. Es war keine Schlange, kein Bär, kein Wolf und auch kein Taxifahrer, sondern ein Eichhörnchen. Frech blieb es stehen, glotzte uns an, bevor es langsam zurück in sein Loch im Baum kletterte.


Tag 9: Flieht, ihr Narren!

Herbert weckt mich. Er hat bei mir eingekuschelt geschlafen. Ein Hundertfüßer krabbelt über meinen Schlafsack. Sind die nicht giftig? Egal! Das Eichhörnchen hat bei uns während der anderen Nachtwachen noch nach Essen gesucht. Gemeines Biest!


Ich lasse Herbert von der Leine und drehe ihn etwas auf. Wie wild geworden tollt er über die Schlafenden hinweg und weckt alles, was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Sehr gut. Heute wollen wir bis nach Kolasin wandern! Ich geh mich in der Tara waschen. Kalt aber sauber! Was wohl die Leute im vorbeifahrenden Zug denken müssen, mich hier so im Adamskostüm in der Tara zu sehen? Ebenfalls egal!

Beim Frühstück reden wir über Dinge, die wir mit dem unheimlichen Taxifahrer vom Vortag am besten gemacht hätten:

-          Ihn gemeinsam Anschieben, bis zu unserem Abstiegspunkt in die Taraschlucht, und ihm eine gute Abfahrt wünschen

-          Eine Kohtenstange durch die Windschutzscheibe stecken und eine Kohte daran hochziehen

Alberenes Gequassel am Morgen eben. Wir sind gut drauf, wach, sauber (also ich zumindest) und werden es heute nach Kolasin schaffen. Wir wissen es! Und wir werden Joe wieder sehen!

Wir wanderten los. Als erstes ging es über einen kleinen Zufluss der Tara. Über diesen lag auf ca. 2,5m Höhe zwei zusammengetackerte Holzbretter, die auf beiden Seiten auf den Brückenfundamenten auflagen. Armin ging als erster vorsichtig rüber und testete ob die Brücke halten würde. Er schaffte es und stellte sich direkt von unten an die Brücke um den Leuten rüberzuhelfen. Einzeln gingen wir einer nach dem anderen rüber. 

Als ich an der Reihe war – als letzter – stellte ich direkt fest, wie rutschig diese Bretter eigentlich waren. Ich ging langsam weiter und schaute zur anderen Seite. Und rutschte aus. Ich knallte vornüber auf die Brücke, etwa bei der Mitte und hörte ein lautes Knacken und Brechen: mit der Brücke ging es abwärts in den Tara Zufluss. Alles in sekundenbruchteilen. Ich schlug mitsamt der Brücke im Wasser ein und lag auf den Brettern. Schock. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich schaute nach rechts und sah meine Kamera flussabwärts treiben. Ich hörte nichts, sah aber neben mir auf einmal zwei schwere Stiefel im Wasser landen. Hicham und Armin warfen meine Sachen ans Ufer, packten mich und zogen mich aus dem Wasser.

Ich setzte mich auf einen Stein. Mein Linkes Bein und mein linker Arm schmerzten. Carsten fragt mich wo meine Brille ist. Irgendwo im Wasser! Ohne die bin ich selbst als Mitglied einer Maulwurfsfamilie noch der blindeste. Alle standen im Wasser und suchten nach der Brille. Armin machte mit Yannicks Sonnenbrille einen Strömungsversuch und konnte diese nicht mehr wiederfinden, nachdem sie ins Wasser gesunken war. Hicham hielt den Kopf ins Wasser und versuchte was zu erspähen. Nichts. Ich kletterte selber ins Wasser. Nochmal nachdenken, wie und wo ich gefallen war. Ich kraxelte über die Brückenteile und griff einfach ins Wasser darunter. Sofort hatte ich meine Brille in der Hand. Glück, Zufall, Schicksal – drissejal, die Brille war wieder da.

Wir standen alle eine wenig unter Schock, ich wahrscheinlich am meisten. Mein Bein schwoll an, mein Arm schmerzte, die Schürfwunden wurden verbunden. Doch wir mussten weiter und zwar bis nach Kolasin. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte weiterhin mit gutem Beispiel voran zu gehen. Ich lief unrund. Immerhin war der Wanderweg schön: an der Tara entlang, abseits der gefährlichen Straße. Er endete abrupt, mitten in einem felsigen Wald. Wir fluchten ein wenig.

Hicham stapste durch die Tara auf die andere Seite. Er fand auf einem Campingplatz in Steinwurfreichweite die Mädels-Sippe vom Stamm „Roter Milan“. Flußüberquerung! Hatten wir ja 2 Tage lang nicht mehr. Carsten ging als erster und hatte keine Sandalen dabei. Die Steine waren spitz. Bei jedem Schritt hörte man einen schmerzerfüllten Schrei. Da er selber anfing zu lachen konnten wir anderen uns kaum halten, es war köstliche Unterhaltung. Ich ließ meine Stiefel einfach an, da diese ja jetzt sowieso wieder nass waren. Das Wasser ging erst auf 60-70cm runter, ab dann waren es nur noch 20 cm Wassertiefe. 

Zu Mittag gab es 1 Paket Mini-Kekse (danke Joe Budget!). Wir gönnten uns aber noch ein Eis. „Hier, is wichtig für den Kopf“ sagte Armin und gab mir das Eis. Und ja, danach war mein Schock verflogen und alles wieder normal.

Bei den Mädels gab es eine, die seit dem ersten Tag Heimweh hatte und die sich von ihrem Vater, der in Kroatien im Urlaub war abholen lassen wollte. Ich war unglaublich stolz, dass Finn und Yannick keinen einzigen Gedanken an zu Hause verschwendet hatten, und durch unser Treffen mit den Mädels auch nicht auf diese Idee kamen. Tolle Jungs!

Die Mädels wanderten los Richtung Kolasin. Wir ein wenig später hinterher. Es gab nur den gefährlichen Weg über die Straße. Wir hatten Müh und Not einen Streuner vom Campingplatz abzuwimmeln und unser Hunderudeln so klein zu lassen, wie es war. Armin war als Hundevertreiber allerdings sehr überzeugend. Ich glaube ich wäre da auch lieber auf dem Campingplatz geblieben.

Beim Wandern auf der Straße hupte jeder Montenegriner der vorbeifuhr. Als nette Geste gemeint erschraken wir jedes Mal aufs Neue. Verfolgt wurden wir vom Donner und immer wieder Nieselregen, der aber sofort wieder aufhörte. Die Montenegriner sind auf der Straße keine Kinder von Traurigkeit: wir mussten ganz nah an der Leitplanke gehen. Ich ging als letzter und immer etwas weiter auf der Straße, um etwas sichtbarer für die entgegenkommenden Autos zu sein. 20 km Serpentinstrecke vor uns. 

Wir holen irgendwann die Mädels ein. Das Gewitter uns aber auch. Regen kommt runter, wir schlüpfen in die Ponchos. Das Gewitter wird stärker. Links von uns auf einmal eine provisorische Hängebrücke. Wir gehen rüber und verstecken uns darunter. Beim überqueren der Brücke hab ich ziemlichen Schiss wieder in die Tara zu fallen. Für ein Lachen sorgt immer wieder, dass ich im Theaterstück auf unserem Jubiläum den „Bastgalf“ gespielt habe, also in Anlehnung an Gandalf aus „Der Herr der Ringe“. Dieser ist ja auch von einer Brücke gefallen. Leider war ich nicht geistesgegenwärtig genug „Flieht ihr Narren“ zu rufen.

Die Regenpause nutzen wir natürlich sinnvoll. Wofür? Zum Angeln natürlich. Ratzfatz die Ruten parat gemacht und ins Wasser. Hicham wirft beim ersten Wurf die Montage direkt in ein Gebüsch mitten in der Tara und muss ins Wasser steigen. Ein paar Forellen(?) sind halbwegs interessiert an unseren Ködern und schwimmen hinterher. Für mehr reicht es aber leider auch diesmal nicht.

Als der Regen aufhört wandern wir weiter. Die Mädels treffen wir allerdings nicht mehr. Es geht Richtung Kolasin, weiter und weiter. Ich habe einen Ohrwurm von „Endlos lang zieht sich die Straße“ und mein seltsamer Wandertick, dass ich meine Schritte zähle, wird für mich selbst immer nervender. Wir wandern durch Tunnel, am Wegesrand Tierkadaver. Ein relativ großes Dorf links von uns. Doch es ist nicht Kolasin. Restaurant in 7 km sagt ein Schild. Irgendwann kommen wir an besagtem Restaurant vorbei. Mein Bein schmerzt. Hab ich was am Muskel? Nach ein paar Stunden kommen wir an einer Tankstelle an. Trinkpause! Wir müssen einen Streuner verjagen. Die Lukoil-Tankstellenfrau, die ich frage meint, dass Kolasin noch etwa 3km entfernt liegt.

Jawoll! Das ist doch schaffbar. Wir wandern in ein Tal hinab, dann wieder hinauf. Das nächste Dorf wird passiert, immer noch nicht Kolasin. Wir haben schon ca. 18 Uhr. Weitere Tierkadaver am Wegesrand. Eine viel zu große Katze ohne Fell, die komplett abgemagert ist, klettert in eine Mülltonne. Die armen Tiere hier! Wir biegen um eine Kurve, schauen in ein Tal und sehen – endlich – Kolasin.

Wir schleppen uns ins Stadtzentrum. Alles schmerzt. Wir sind kaputt. Am Marktplatz tauchen wir aus der montenegrinischen Wildnis plötzlich wieder in die Zivilisation ein. Die Jungs holen was Süßes für die Moral der Gruppe. Crissy geht mit Herbert zum Tierarzt und muss beim extra gekommenen Tierarzt dessen Baby festhalten, während Herbert gegen Tollwut geimpft wird.


Unterdessen sehen wir auf dem Marktplatz einen alten Mann mit Stock. Als ein streunender Hund vorbeikommt nimmt er seinem Stock und zieht dem armen Tier eins über. Arme Tiere hier, ich kanns nur nochmal sagen!

Gemeinsam mit Armin kümmere ich mich um das Abendessen. Es gibt Hot Dogs, wobei die Hot Dog Brötchen die Größe von ganzen Brotlaiben haben. Draußen findet die Siegerehrung vom „Kolasin Fußball Turnier“ statt, dass den Tag über ausgetragen wurde. Dazu läuft DJ Bobo von einer Kassette. Wir lachen über die gute Euro-Dance-Musik. Ein paar junge Frauen setzten sich neben uns. Wir scheinen doch nicht so sehr zu stinken, wie wir dachten.

Es wird dunkel. Carsten und Hicham haben einen Lagerplatz gefunden. Wir essen zusammen im Park, abseits vom Trubel. Ein paar knurrende Streuner müssen vertrieben werden. Als sie kommen und Herbert anmachen springt die ganze Gruppe vom Essen auf. Kaputte, zerstörte Gestalten, doch wenn es gegen einen von uns geht, sind ohne Ende Kraftreserven da!

Beim Schein des Mondes erzählt jeder seinen bisherigen Lieblingsfahrtenmoment. Es fällt uns schwer uns festzulegen. Die riesigen Mückenstiche sind eiergroß angeschwollen. Mein Bein brennt wie die Hölle. Wenn das Morgen noch so ist, muss ich zum Arzt.

An einer Sportsbar füllen wir unser Wasser auf. Die Partyszene Kolasins ist in vollem Gange. Wir schleppen uns zum Lagerplatz, die Wiese eines Bauern. Einfach hinlegen und Nachtwachen einteilen. Hundegebell aus der Stadt ist die ganze Nacht zu hören. Die Tollwutimpfung macht Herbert zu schaffen. In meiner Nachtwache umhüllt uns dichtester Nebel.


Tag 10: Heee, ab in den Süden!

Wir wachen früh auf. Überall sind Ameisen. Der Nebel hat sich verzogen. Packen und auf zum Bahnhof. Dort wird gefrühstückt. Wie kommen wir immer wieder auf diese bescheuerte Idee? Gut einen Bahnhof vermutet man eher im Stadtzentrum, als auf einem Berg außerhalb der Stadt, aber ich hoffe das wird uns für alle kommenden Fahrten eine Lehre sein!

Wir treffen Pfadfinder vom Stamm „St.Willigis“. Gefrühstückt werden heute hauptsächlich die Sachen, die weg müssen. Da Salami dabei ist kein Problem für uns! Unsere nassen Sachen hängen wir noch kurz auf, bevor wir schauen wann der nächste Zug kommt. Ein Zug war während des Frühstücks abgefahren.

Tja, den Zug um 9:50h hatten wir verpasst. Der nächste fährt um 18:00h. Auf den Schock holt Hicham uns erst mal einen Kaffee. Wohlfühlgetränk! Wir haben Zeit, also waschen wir unsere Sachen. Sag zu Dreck und Schmutz „BON VOYAGE!“. Hicham, Carsten, Yannick und Finn gehen in der Stadt einkaufen. Auch Joe wird abgeholt und stößt gut erholt wieder zu uns. 

Auf einmal Donner. Wir schaffen es wieder mal gerade so unsere angetrockneten Sachen unter das Bahnhofsvordach zu bringen. Wir lernen Marie vom Stamm „St. Willigis“ kennen, die ich bisher nur von ihren hervorragenden haddak Artikeln „kannte“.


Das Bahnhofsklo hat mit Klo wirklich nichts mehr zu tun. Zum Glück gibt es eine Trinkwasserquelle vor dem Bahnhof, sodass wir dort nicht mehr rein mussten. 

Auf dem Bahnsteig legen wir die übelste Singerunde hin („Heute wird wohl kein Schiff mehr gehn“). Einheimische filmen uns („nice!“), bei youtenegrotube.mn sind wir mittlerweile sicherlich die Stars! Ein Kaffeebudenbesitzer, mit dem wir uns unterhalten, spricht zwar bloß 3 Worte deutsch und 4 Worte englisch, trotzdem weiß er uns nach unserer Herkunft zu fragen und ist ganz aufgeregt als er „Köln“ hört. Erst macht er Hörner auf dem Kopf und sagt „1. FC Köln“, dann erzählt er uns, wie sehr er sich gefreut hat, als unser Effzeh „Roter Stern Belgrad“ 1989 aus dem Uefa Pokal rausgeknallt hat. Der ist echt gut drauf!

Wir kaufen Bahntickets für 2€ pro Person nach Podgorica. Der Zug kommt 1h zu spät, wir haben Zeit über das 2 Kapitel der Morgenlandfahrt zu sprechen.

Als der Zug kommt steigen wir ein. Ein Polizist und ein Schaffner machen Ärger wegen Herbert. Maulkorb oder Hundetasche ist Pflicht um ihn mitzunehmen. Crissy bindet ihm ein Tampen um den Mund, und als die beiden nicht gucken steigen wir einfach ein. Drinnen machen sie dann weiter Stress. Wir bezahlen 3€ für ein Hundeticket und versprechen das letzte mal mit der montenegrinischen Bahn zu fahren. Dann ist die Mitfahrt okay. 

Setzen dürfen wir uns trotzdem nicht. Ein komplettes Abteil ist für den Polizisten reserviert, ein weiteres für den Schaffner. Und sie verteidigen es wie ein Königreich. Der Schaffner schmeißt Yannick und Finn aus dem Abteil, schreibt auf Zettel „reserviert“ und legt die dahin. Bis Podgorica, wo Endstation ist, bleiben die Plätze natürlich leer. Dann sitzen wir eben auf dem Gang rum. Schmeckt ihnen auch nicht. Die Lage ist stressig und angespannt.


Die Fahrt dauert lange. Tolle Landschaft, viele Tunnel, tiefe Schluchten. Wir werden aufgefordert Platz zu machen, da wir fast da sind. Wir stehen auf, nehmen unsere Rucksäcke bis zur Tür und warten. Der ganze Gang steht voll mit Menschen. Alle stehen und warten, dass der Zug hält. Die Bahn fährt noch eine Stunde ganz normal weiter. Wir verstehen nicht, warum alle so dermaßen Hummeln im Hintern haben.

Beim Ausstieg ist dann doch eine ähnliche Mentalität zwischen deutschen und montenegrinischen Bahnkunden zu erkennen: erst Einsteigen, dann Aussteigen lassen lautet die Devise. Wir schaffen es trotzdem raus und bringen alle Sachen an einen abgelegeneren Ort. Es ist mittlerweile Abend.


Armin und ich machen uns auf den Weg um einen Bus in Richtung Kotor ausfindig zu machen. Die Damen im Busbahnhof sprechen leider nicht gut englisch, schlimmer ist aber, dass unsere Anwesenheit sie wirklich anzukotzen scheint. Am schlimmsten ist dann aber als wir fragen, ob wir den guten Herbert mit im Bus transportieren können. Nein auf keinen Fall. Die Busfahrt wird 9€ pro Person kosten und 1€ pro Gepäckstück. 

„Ohne Herbert fahren wir nirgendwohin!“ war unsere erste Reaktion. Und dabei blieb es. Wir gingen zu den Taxen und fragten nach, was es koste mit 2 Taxen nach Kotor zu fahren. Insgesamt 80€. Also billiger als mit dem Bus. Und was mit dem Hund wäre. „Keine Problem!“. Perfekt!


Wir holen die anderen ran und beladen die Taxen. Die Fahrt dauert ca. 2h Serpentinen rauf und runter. In unserem Taxi geht der Kofferraum nicht zu, weshalb der Taxifahrer auf die Klappe eindrischt. Beim anderen Taxi geht auf diese Weise Finns Rucksackschnalle kaputt.

Damit Crissy mal eine Hunde Pause hat nehme ich Herbert zu mir nach vorne. Ich bin pausenlos damit beschäftigt ihn zu kraulen und ruhig zu halten. Er ist sehr aufgeregt, hechelt und drückt und springt auf mir herum. Anstrengend! Der Taxifahrer will, dass er im Fußraum bleibt. Ja, leichter gesagt als getan. Das Herz des kleinen Hundes geht so schnell, dass ich mir Sorgen mache und über eine kurze Pause nachdenke. Weil es vorne bei uns so heiß ist macht der Fahrer immer wieder das Fenster runter. Das bläst den Fahrtwind bei den hinten sitzenden ins Gesicht. Das gibt Diskussionen. Dabei brauche ich meine ganze Konzentration schon für Herbert.

Am Busbahnhof von Kotor werden wir dann raus gelassen. 2 Minuten vorher, als die Straßenlaternen das innere des Wagens ein wenig erhellten, war der Fahrer mit der Hand über die Armatur gegangen. Hundehaare in Masse. Herbert haart scheinbar, wenn er gestresst ist. Ich tat so als wäre mir das nicht aufgefallen, um größeren Ärger vor Fahrtende zu vermeiden. Am Busbahnhof flucht der Fahrer dann ununterbrochen „Grande Katastrophe!“. Ganz so schlimm war es dann doch nicht.

Die Fahrt hat Kraft gekostet. Crissy ist kotzschlecht, ich bin angestrengt von unserem zehnten Gefährten. Armin und Hicham finden einen potentiellen Schlafplatz. Ich gehe derweil mit Herbert spazieren. Es ist 21, 22h die Straßen sind voll, alle hier laufen in Bikini oder Badehose rum. Warm ist kein Ausdruck. Wir sind an der Küste angekommen. Zurück am Busbahnhof ist ein Rollerfahrer, der uns unbedingt überreden möchte im Stadtpark zu schlafen, weil es dort auch Duschen gibt. Wir lehnen dankend ab (das kam uns etwas komisch vor). Einige Tage später erzählten uns verschiedene Gruppen, dass er sie auch angesprochen hätte. Zum Glück ist niemand seinem Rat gefolgt.

Wir gehen zum Schlafplatz. Direkt am Pier, hinter einem verfallenem Sowjet-Hotel. Blickrichtung Kotor Altstadt. Es gibt Livemusik und Scheinwerfer am Himmel. Wir sind irgendwie mittendrin, aber doch ganz abgeschieden. Vom Pier kann man die Füße ins Wasser baumeln lassen. Schön hier. Zu uns gesellt sich ein russisches Rucksacktouristenpärchen. 

Da der Supermarkt schon zu hat und wir kein Feuer machen können organisiert Hicham Maiskolben. Wir sind viel zu erschöpft um ihm die nötige Dankbarkeit zu zollen. Wir teilen Nachtwachen ein und Armin, Carsten und ich machen uns noch auf eine Erkundungstour nach Kotor auf. Ich trage Joes Flip Flops und bin froh, dass ich kein Paar von diesen unbequemen Schuhen besitze. Als wir das Stadttor von Kotor passieren finden wir uns in einer Mischung aus Venedig und dem Phantasialand wieder: hier sieht alles so sehr nach 16 Jahrhundert aus, dass es fast nachgemacht wird. Wunderschön! Gerade werden die Straßen von zwei älteren Herren geputzt (um sauber zu machen und vielleicht die Steine abzukühlen?!). Kurz vor 3 kommen wir zu unserer Nachtwache zurück und sammeln auf dem Weg den Stamm „Galaxias“ samt Stammesführer Nils ein. Die Jungs und Mädels legen sich neben uns.


Bei wunderbar klarem Sternenhimmel schlafen wir mitten in der Stadt, aber irgendwie auch in der Abgeschiedenheit ein.



Bericht und Fotos von basti

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